Ihre Anfrage richtet sich auf die Beratung und Prüfung eines Abschlusses eines Vergleiches mit der Volkswagen AG anlässlich des geführten Musterfeststellungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Braunschweig infolge des so genannten „Diesel-Abgasskandals“.
Gerne bestätigen wir Ihnen unsere Bereitschaft die Vor- und Nachteile eines Vergleichsabschlusses in Ihrem konkreten Fall zu prüfen und teilen vorsorglich mit, dass wir Sie auch im Falle einer möglichen Einzelklage bei Ablehnung des Vergleiches als Ihre Prozessbevollmächtigte begleiten würden, wenn und soweit Sie sich für den individuellen Klageweg entscheiden sollten und uns ein entsprechendes Mandat erteilen.
Im Hinblick auf die von Ihnen gewünschte Beratung dürfen wir die hierbei relevanten Grunderwägungen, Ihre Mitwirkungsobliegenheit hierbei sowie die weitere Vorgehensweise nachstehend im Zusammenhang allgemein für Sie erläutern.
Bekanntermaßen hat die Volkswagen AG durch die Herstellung und Einbau der Motorenreihe EA 189 in die Modelle der Marken des Konzerns den so genannten „VW-Dieselskandal“ ausgelöst.
Der Gesetzgeber hat hierauf reagiert und mit der Musterfeststellungklage ein rechtliches Instrument geschaffen, in dem die bis heute höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, ob der Volkswagen-Konzern durch die Herstellung und Einbau der Motorenreihe EA 189 sich gegenüber jedem betroffenen Erwerber eines Fahrzeuges der betroffenen Marken dem Grunde nach schadenseratzpflichtig gemacht hat, als Vorab-Entscheidung für eine Vielzahl von Einzelfällen hätte entschieden werden können.
Bekanntermaßen wurde auf Grundlage der geänderten Rechts- und Verfahrenslage ein entsprechendes Musterfeststellungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig anhängig gemacht, an dem sich jeder Verbraucher mittels Eintragung in das beim Bundesamt der Justiz eröffnete Klageregister beteiligen konnte.
Am 28.02.2020 haben sodann die an dem Verfahren beteiligten Prozessparteien außergerichtlich einen Rahmenvergleich getroffen, der nach den im Vergleich geregelten Voraussetzungen einem individuell betroffenen Verbraucher die Möglichkeit einräumt ohne Erhebung einer weiteren Individualklage einen konkreten Vergleichsbetrag zu erhalten. Hierzu hat die Volkswagen AG die entsprechenden Verbraucher bzw. potentiell betroffenen Personen im Zweifel mittels gesondertem Anschreiben schriftlich kontaktiert.
Nach dem getroffenen Vergleich setzt die Möglichkeit eines Vergleichsabschlusses, unbeschadet von im Einzelfall möglicherweise auftretenden Abgrenzungsfragen rechtlicher Art (z.B.: Verbrauchereigenschaft nach tatsächlichem Erwerb; Anspruchsberechtigung bei mehrfachem Verkauf des Fahrzeuges) im Wesentlichen folgendes voraus:
Der Erwerb des Fahrzeuges erfolgte durch einen Verbraucher ( also nicht zu gewerblichen Zwecken).
Im betroffenen Fahrzeug ist der Motor EA 189 der Volkswagen AG verbaut worden.
Der betroffene Verbraucher hat sich in das Klageregister der Musterfeststellungsklage eingetragen.
Das betroffene Fahrzeug muss vor dem 01. Januar 2016 gekauft worden sein.
In Abgrenzung zu den vorgenannten Voraussetzungen führen die nachfolgenden Tatsachen dazu, dass man sich nicht an dem ausgehandelten Vergleich beteiligen kann und auch kein Schreiben der Volkswagen AG erhalten wird:
Alle Personen, die sich nicht in das Klageregister eingetragen haben
Alle Personen, die nicht die Verbrauchereigenschaft erfüllen.
Alle Personen, die Ihr Fahrzeug nach Ablauf des 31.12.2015 erworben haben.
Betroffene, die im Zeitpunkt des Erwerbs im Ausland gemeldet waren, bleiben unberücksichtigt.
Verbraucher, die Ihre Ansprüche an Dritte abgetreten haben, können sich nicht an dem Vergleich beteiligen,
Betroffene, die bereits mit der Volkswagen AG einen Individualvergleich oder ein Urteil aufgrund einer Individualklage erstritten haben.
Unbeschadet des Abschlusses eines Vergleiches mit der Volkswagen AG nach den Bedingungen des Rahmenvergleiches in dem zuvor benannten Musterfeststellungsverfahren steht es jedem Betroffenen – egal ob Verbraucher oder Gewerbetreibender – frei Ansprüche aufgrund des „Dieselskandals“ im Wege der Individualklage gegen die Volkswagen AG geltend zu machen.
Bisher ist noch nicht höchstrichterlich entschieden worden, wann jedenfalls Ansprüche gegen die Volkswagen AG als verjährt und damit als nicht mehr durchsetzbar anzusehen sind. Nach den uns bekannten Entscheidungen der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde bisher überwiegend eine Verjährung für die Individualklage jedenfalls zum 31.12.2019 angenommen, weil die Volkswagen AG im Jahr 2016 Betroffene mit dem eingebauten Motor EA 189 über das bekannte Software-Update informiert hatte und insoweit nach den entsprechenden Vorschriften des BGB der Beginn der Verjährung von 3 Jahren mit Ablauf des Kalenderjahres 2016 beginnen soll. Neben der regelmäßigen Verjährungsfrist ist zudem bei einem Fahrzeug, dass vor mehr als 10 Jahren erworben wurde, auch an die im BGB geregelten Höchstfristen der Verjährung zu denken.
Für die Verbraucher, die sich dem Verfahren der Musterfeststellungsklage mittels Eintragung angeschlossen haben, dürfte die Verjährung von Ansprüche indes keine Rolle spielen bei einer zeitnahen Entscheidung über die Erhebung einer möglichen Individualklage, weil durch die Teilnahme an dem vorgenannten Verfahren eine Hemmung der Verjährung bewirkt wurde, der Zeitraum des Verfahrens also an den Verjährungslauf angehangen wird.
Im Ergebnis bleibt also im Hinblick auf die Durchsetzung von Ansprüche gegen die Volkswagen AG im Rahmen des Diesel-Abgasskandals nur die alternative Vorgehensweise der Annahme eines Vergleiches – soweit möglich – als Beteiligte des Musterfeststellungsverfahrens oder die Erhebung einer zeitnahen Individualklage zur Durchsetzung der eigenen Ansprüche.
Sollten Sie sich für die Durchführung eines Vergleiches mit der Volkswagen AG im Rahmen des Musterfeststellungsverfahrens entscheiden, ergibt sich für den Inhalt des Vergleiches sowie die weitere Vorgehensweise nach den bisher bekannten Modalitäten folgendes:
Die Volkswagen AG hat ab Mitte März an die im Klageregister eingetragenen Verbraucher ein Schreiben versandt, das die Betroffenen über das weitere Vorgehen entsprechend informiert. Der Ablauf des Vergleichsabschlusses wurde insoweit durch die Volkswagen AG maßgeblich bestimmt und vorbereitet.
In dem vorgenannten Schreiben wird jedem Verbraucher ein Online-Portal (http://www.mein-vw-vergleich.de) benannt, über das der Vergleich entsprechend abzuwickeln ist. Für den Zugang wird in dem Schreiben ein Benutzername sowie ein PIN angegeben, wobei letzterer nach dem ersten Log-In in jedem Fall abzuändern ist, um weiter in dem dortigen Online-Verfahren fortfahren zu können.
In dem Online-Verfahren sind sodann die dort abgefragten Angaben zu tätigen, ggf. unter Einscannen der dort ggf. geforderten Nachweise. Sodann wird dem Betroffenen auf Grundlage der Angaben ein konkreter Vergleichsbetrag genannt, zudem ein Vergleich in Betracht kommt.
Der dortige Assistent führt weiter durch das Verfahren, an deren Ende man durch eine entsprechende Bestätigung den Vergleich zu dem konkret genannten Vergleichsbetrag akzeptieren kann. Die Volkswagen AG wird sodann hierüber auf elektronischem Wege informiert.
Der Betroffene erhält nach Abschluss dieses Online-Verfahrens eine Bestätigung der Vergleichsmodalitäten, der sodann von Seiten der Volkswagen AG geprüft wird. Rechtlich gesehen liegt also in der Zustimmung des Verbrauchers das Angebot eines Vergleichsabschlusses, der durch die Volkswagen AG angenommen wird.
Wesentliche Rechtsfolge des getroffenen Vergleiches ist, dass der Betroffene den im Rahmen des Vergleiches vereinbarten Einzelbetrag erhält und hierfür seine Zustimmung erklärt, dass mit Zahlung sämtliche Ansprüche gegenüber der Volkswagen AG in der betroffenen Sache abgegolten sind. Das betroffene Fahrzeug bleibt im Eigentum und Besitz des Verbrauchers.
Soweit Betroffene nicht das Online-Verfahren durchführen können oder wollen, besteht alternativ die Möglichkeit das Verfahren telefonisch mit einem Mitarbeiter bei der Volkswagen AG durchzuführen.
Alternativ zu dem Abschluss eines Vergleiches kann jeder Betroffene bzw. Verbraucher, der an dem Musterfeststellungsverfahren mittels Eintragung im Klageregister teilgenommen hat, anstelle eines Vergleiches auch Individualklage gegen die Volkswagen AG erheben.
In diesem Fall wird also ein zivilrechtliches Klageverfahren durchgeführt. Das Musterfeststellungsverfahren hat insoweit kein Bedeutung, außer das durch die dortige Teilnahme die Volkswagen AG sich im Zweifel nicht auf den Einwand der Verjährung berufen kann.
Der Individualanspruch gegen die Volkswagen AG stützt sich im Rahmen der Klage auf Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB.
Ob die Haftung dem Grunde nach besteht wurde bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden. Wann mit einer höchstrichterlichen Entscheidung zu rechnen sein wird ist zurzeit noch nicht absehbar. Der Bundesgerichtshof wird sich im Falle einer Entscheidung unter anderem dazu äußern, ob er Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt ansieht und ob sich der Betroffene schadensmindernd eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen muss.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist die ergangene obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen erhobener Individualklagen nicht streng einheitlich. So fielen die Entscheidungen im Gerichtsbezirk der Volkswagen AG in Braunschweig zugunsten des Unternehmens aus, während in anderen Gerichtsbezirken viele erst- und auch zweitinstanzliche Entscheidungen zugunsten der Verbraucher ergingen.
Wir konnten bisher in den uns anvertrauten Mandaten in jedem einzelnen Fall einer erhobenen Klage gegen die Volkswagen AG entweder ein Urteil zugunsten unserer Mandanten erstreiten oder mit der Volkswagen AG einen Individualvergleich vereinbaren, der auch im Rahmen einer Individualklage jederzeit möglich bleibt.
Allerdings kann unserseits keine Garantie dahingehend abgegeben werden, dass die Klage in jedem Fall und für jeden Gerichtsbezirk Erfolg haben wird. Lediglich für den Gerichtsbezirk des OLG Düsseldorf hat auch die zweite Instanz in bisher zwei ergangenen Entscheidungen aus dem Dezember 2019 zugunsten der Verbraucher und gegen die Volkswagen AG entschieden.
Rechtsfolge bei Bestehen des Anspruchs ist, dass die Volkswagen AG den Verbraucher so zu stellen hat, wie er ohne Abschluss des Kauf- und/oder Finanzierungsvertrages stehen würde. Zu Gunsten des Verbrauchers ist entweder der gezahlten Bruttokaufpreis oder aber der gesamte Finanzierungsaufwand zu berücksichtigen sowie unter Umständen erstattungsfähige und tatsächlich erbrachte Aufwendungen.
Dem gegenüber muss sich der Verbraucher zurzeit noch nach der obergerichtlichen Rechtsprechung eine sogenannte Nutzungsentschädigung anspruchsmindernd anrechnen lassen.
Die Höhe wird nach der Rechtsprechung nach einer anerkannten Formel berechnet, bei denen die nachfolgenden Faktoren zu berücksichtigen sind:
Bruttokaufpreis für das betroffene Fahrzeug
Gefahrene Kilometer im Zeitpunkt der Berechnung
Gesamtfahrleistung (Neufahrzeug) bzw. Restfahrleistung (Gebrauchtfahrzeug)
Diese Faktoren sind sodann in die nachstehende Formel einzusetzen:
Bruttokaufpreis * Gefahrene Kilometer /
Gesamt- bzw. Restfahrleistung
Der sich aus der Berechnung ergebende Betrag stellt den zu berücksichtigenden Betrag an Nutzungsentschädigung dar, der einstweilen nach der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung angerechnet wird.
Die Abwägung zwischen der Annahme eines Vergleiches im Rahmen des Musterfeststellungsverfahrens oder einer alternativ zu erhebenden Individualklage bemisst sich abstrakt im Wesentlichen an den nachfolgenden Faktoren.
Grundsätzlich ist das Ergebnis eine Frage der Einzelabwägung. Es spielen insoweit sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle.
Die Volkswagen AG sieht im Rahmen des Rahmenvergleiches Entschädigungsangebote zwischen 1.350,00 € und bis zu 6.257,00 € vor – je nach Modell und Alter des Fahrzeuges. Dadurch werden naturgemäß Kleinwagen gegenüber Mittel- und Oberklassewagen eher höher entschädigt. Gebrauchtwagenkäufer werden im Verhältnis zu Neuwagenkäufer bessergestellt.
Zudem erhalten Erwerber von Fahrzeugen mit hohen Laufleistungen die gleichen Angebote wie Erwerber von Autos mit niedrigen Laufleistungen. Ist die Laufleistung hoch, kann insoweit aufgrund der zurzeit zu berücksichtigenden Nutzungsentschädigung der Vergleich sinnvoller sein als die Individualklage.
Im Falle des Vergleiches behält man das Fahrzeug. Im Falle einer erfolgreichen Individualklage ist das Fahrzeug abzugeben.
Schließlich kann im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer Individualklage letztlich noch keine Gewissheit gegeben werden hinsichtlich des Ausgangs. Es besteht mithin nach wie vor ein Prozessrisiko, selbst wenn eine Vielzahl von verbraucherfreundlichen Entscheidungen festzustellen sind und auch die höchstrichterliche Rechtsprechung entsprechende Tendenzen erkennen lässt.
Im Regelfall sind die ins Risiko zu stellenden Prozesskosten derart erheblich, dass eine Individualklage ohne Rechtsschutzversicherung oder Prozessfinanzierer nicht zu empfehlen sein wird.
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